Frauen: Unsichtbare Opfer der Sonntagsarbeit!

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Die Evangelischen Frauen in Bayern (EFB) sind Mitglied der Allianz für den freien Sonntag in Bayern und kritisieren den Entwurf der Staatsregierung für das Ladenschlussgesetz.
Die EFB sieht erhöhte Arbeitsbelastungen insbesondere für Frauen, die den Großteil der Beschäftigten im Einzelhandel stellen. Für sie folgt aus der geplanten Neuregelung vermehrt Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und folglich eine erschwerte Vereinbarkeit von Beruf und Familie und risikoreichere Arbeitswege beispielsweise spät in der Nacht.

Die Evangelischen Frauen in Bayern sind besorgt, wenn künftig an insgesamt zwölf Werktagen im Jahr eine Ladenöffnung bis 24 Uhr möglich sei. Der Einzelhandel ist eine Frauendomäne (rund 70 Prozent) und so gilt für diese Beschäftigten, dass sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit häufig auch Familien-, Pflege und Care-Arbeit leisten. Nächtliche Arbeitszeiten bis Mitternacht - wegen Aufräumarbeiten auch darüberhinausgehende Arbeitszeiten - sind mit erheblichen gesundheitlichen Gefährdungen und sozialen Belastungen verbunden.
Insbesondere richtet sich der kritische Blick der Evangelischen Frauen in Bayern auf die digitalen Kleinstsupermärkte, die angeblich „personalfrei“ rund um die Uhr geöffnet sein sollen. So wird das nicht funktionieren! Kein digitaler Supermarkt kommt gänzlich ohne Personal aus. Reinigungs-, Bestückungs- und Sicherheitsarbeiten müssen wohl auch nachts und an Sonn- und geleistet werden. Dafür braucht es Personal.
Der grundsätzliche Sonn- und Feiertagsschutz, der in der Bayerischen Verfassung, Art 147 festgeschrieben ist, sieht für diese besonderen Tage „seelische Erhebung und Arbeitsruhe“ vor. Die Verfassung hat für alle Menschen gleichermaßen zu gelten. Frauen sind hier ausdrücklich mitgemeint!

Der EFB Mitgliedsverband Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt hat zum Entwurf des Ladenschlussgesetzes eine Bewertung vorgenommen, die von der EFB unterstützt wird:
 

 

 Vier Hauptkritikpunkte am Entwurf für ein Bayerisches Ladenschlussgesetz (BayLadSchlG)
                                                       aus Sicht des kda Bayern 21. Januar 2025

 

1. „Personallos betriebene Kleinstsupermärkte“ verursachen versteckte Sonntagsarbeit und Wettbewerbsverzerrung (vgl. Art. 2 Gesetzentwurf)
Das geplante BayLadSchlG schafft den Ladenschluss für einen Teil des Einzelhandels gänzlich ab. „Personallos betriebene Kleinstsupermärkte“ dürfen demnach in Bayern
außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten nicht mehr nur nachts, sondern auch sonn-und feiertags ohne besondere Ausnahmegenehmigung öffnen (vgl. Art. 2, Abs. 2).
Die Bezeichnung dieser Geschäfte ist in dreifacher Hinsicht irreführend:

  •  „Personallos betriebene …“: Supermärkte mit automatisierter Kasse benötigen sehr wohl Personal u.a. zum Einräumen und Auffüllen der Ware, zur Beseitigung von Vandalismus-Schäden oder von technischen Problemen, zur Reinigung sowie zur Überwachung. Sie setzen dieses Personal nach Beobachtung des kda Bayern im gewissen Umfang auch an Sonntagen ein. Aufgrund der starken Frequentierung in der Nacht von Samstag auf Sonntag ist der Bedarf an Aufräum-und Reinigungs-arbeiten sonntags sogar erhöht.
  •  „Kleinst …“: Das Attribut gilt bisher für 100 m² Verkaufsfläche. Künftig soll es ohne nähere Herleitung für deutlich größere Läden mit bis zu 150m² Verkaufsfläche gelten. Aber auch diese willkürliche Zahl steht schon jetzt zur Disposition: Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kündigte in der Pressekonferenz der Staatsregierung vom 26.11.2024 an, dass die vorgesehene Maximalfläche nach der Gesetzgebung noch einmal vergrößert werden könnte.
  •  „… Supermärkte“: Da das Warensortiment für diese sog. Kleinstsupermärkte im Gesetzentwurf nicht näher eingegrenzt wird, könnten wohl jegliche Geschäfte ohne Kassenpersonal die 24/7 Regelung für sich beanspruchen.

Die Staatsregierung begründet die Sonderbehandlung dieser Betriebsform mit der angenommenen Personallosigkeit und geringen Größe. Sonntagsruhe und Wettbewerbsneutralität würden nicht beeinträchtigt. Diese Behauptung steht jedoch auf sehr wackligen Beinen und wird nicht belegt. So muss man fragen, weshalb etwa ein Handwerksbäcker durch die Konkurrenz eines nahen Marktes, der an sieben Tagen und Nächten Backwaren verkauft, nicht benachteiligt sein soll. Die Frage der Wettbewerbsverzerrung stellt sich auch dadurch, dass zwar die Fläche pro Markt, aber
nicht die Zahl der Märkte pro Standort begrenzt wird.
Die Beeinträchtigung von Sonntagsruhe und fairem Wettbewerb wird in dem Maße zunehmen, in dem die „Kleinstsupermärkte“ nicht mehr nur vereinzelt auf dem Land aufmachen, sondern sich auch in den umsatzstarken Zentren ausbreiten. Durch die in der    Gesetzesbegründung ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit „hybrider“ Betriebe kann zudem jeder bestehende Supermarkt in Bayern auf einem Teil seiner Fläche einen 24/7- Verkauf einrichten. So ist abzusehen, dass Nacht- und Sonntagsshopping überall im Freistaat durch das geplante Ladenschlussgesetz zu einer neuen Normalität werden.
Die Regelung ist im Sinne des Sonn- und Feiertagsschutzes und des fairen Wettbewerbs aus Sicht des kda Bayern klar abzulehnen. Langfristige Folge der Regelung wäre ein Strukturwandel des Einzelhandels zum Schaden personalintensiverer Betriebe und ihrer Arbeitsplätze. Sie wird die Nahversorgung damit vielerorts eher gefährden als fördern.
Das Gesetz ist dazu geeignet, versteckte Sonntagsarbeit zu verursachen, die kaum kontrolliert werden kann. Der öffentliche Charakter der Sonn- und Feiertage wird sich im Freistaat drastisch verändern. Noch im Jahr 2021 hatte das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) festgestellt, dass es sich beim Betreiben digitaler Kleinstsupermärkte um „eine werktägliche Geschäftigkeit“ handele, die die „äußere Ruhe von Sonn- und Feiertagen“ störe (Bayerischer Landtag, Drucksache 18/24887). Laut dem vorliegenden Gesetzentwurf des StMAS können nun aber selbst Kommunen, die diese Ruhe gern schützen möchten, den Sonntagsbetrieb dieser Supermärkte nicht mehr untersagen, sondern bestenfalls auf acht Stunden begrenzen.

2. Sonntagsverkauf von Tourismusbedarf – neue Regelung macht ganz Bayern zum Ausflugsort (vgl. Art. 5 Gesetzentwurf)
Mit dem geplanten BayLadSchlG soll der Sonntagsverkauf von „Tourismusbedarf“ in bayerischen Kur-, Erholungs-, Wallfahrts- oder Ausflugsorten neu geregelt werden. Problematische Änderung: Nicht mehr das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales legt fest, welche Orte als Ausflugsorte unter die Ausnahmeregelung fallen, sondern die jeweiligen Kommunen selbst.
Bisher sind etwa 500 Kommunen, also etwa jede vierte in Bayern, als Wallfahrts- oder Ausflugsorte anerkannt. Diese können Verkaufsstellen erlauben, Lebens- und Genussmitteln, Bade- und Sportzubehör, Devotionalien und mehr oder weniger regionaltypische Waren an bis zu vierzig Sonn- und Feiertagen im Jahr zu verkaufen.
Nach der Ladenschlussreform dürften es noch weit mehr Gemeinden werden, denn künftig soll eine Kommune anhand sehr weicher Kriterien selbst festlegen, ob sie ein Ausflugsort ist. Schon das Vorhandensein von Sehenswürdigkeiten, Museen oder Wanderwegen soll dafür sprechen. Es wird kaum eine bayerische Gemeinde geben, die nicht einige der in der Gesetzesbegründung vorgeschlagenen Merkmale aufweist.
Diese Regelung stellt mit ihren vagen Anmerkungen den Verkauf eines ebenfalls vage gefassten Tourismusbedarfs an vierzig Sonntagen weitgehend ins Belieben der Gemeinden, was zusätzliche Ladenöffnungen praktisch überall in Bayern auslösen wird.
Sie ist im Sinne des verfassungsrechtlichen Schutzes der Sonn- und Feiertage aus Sicht des kda Bayern klar abzulehnen.

3. Verkaufsoffene Sonntage – „Vermutung“ als Grundlage missachtet verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. Art. 6 Gesetzentwurf)
Der Entwurf zum BayLadSchlG sieht wie das bisher geltende Bundesladenschlussgesetz vier verkaufsoffene Sonn- und Feiertage je Gemeinde vor, die aufgrund einer Anlassveranstaltung freigegeben werden können. Die Anlässe werden jedoch sehr viel weiter gefasst und können in „kulturellen, religiösen, traditionellen, historischen oder sportliche Ereignissen“ bestehen. Der rechtlich nötige Zusammenhang zwischen Anlass und Ladenöffnung muss zudem künftig nur noch „vermutet“ und offenbar nicht mehr näher begründet werden, sobald ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang
erkennbar ist. Die bisherigen kommunalen Anhörungen von Kirchen, Gewerkschaften und Handelsverbänden u.a. sieht das BayLadSchlG gar nicht mehr vor.
Mit diesen Änderungen reagiert die Staatsregierung auf die zahlreichen juristischen Streitfälle in bayerischen Kommunen, die von den Verwaltungsgerichten regelmäßig zu Gunsten des Sonntagsschutzes entschieden wurden. Zahlreiche Urteile präzisierten in den vergangenen Jahren die verfassungsrechtlichen Bedingungen von Sonntagsöffnungen im Handel und erhöhten so die Rechtssicherheit. In der Praxis zeigte sich, dass ein verfassungskonformer Zusammenhang zwischen Anlass und Ladenöffnung meist nicht gegeben war. Allerdings war diese Art der Rechtsklarheit nicht im Sinne derjenigen, die Verkaufssonntage lieber als frei einsetzbares Marketinginstrument des lokalen Handels begriffen. Soweit der Gesetzentwurf nun vorsieht, dass ein verfassungskonformer Anlassbezug einfach „vermutet“ werden soll, schafft dies neue rechtliche Unklarheit und fördert Rechtsmissbrauch.
Im Anlassbezug von Sonntagsöffnungen spiegelt sich der Kerngedanke des freien Sonntags, wie ihn das Grundgesetz schützt: „Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse (‚Shopping-Interesse‘) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen.“ (Bundesverfassungsgericht, 1.12.2009, Rn 157). Alibi-Anlässe können danach keine Sonntagsöffnung begründen. Das muss auch für das bayerische Ladenschlussrecht gelten. Jede Aufweichung des Anlassbezugs ist daher aus Sicht des kda Bayern entschieden abzulehnen.
Der Gesetzentwurf nimmt eine Reihe christlicher und weltlicher Feiertage von den verkaufsoffenen Sonntagen aus, was ausdrücklich zu begrüßen ist.

4. Zwölf Shoppingnächte – Arbeitszeiten im Handel werden familienunfreundlicher (vgl. Art. 7 Gesetzentwurf)
Der Entwurf des BayLadSchlG sieht wie das bisherige Ladenschlussrecht weiterhin werktägliche Ladenöffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr vor. Die generelle Beibehaltung des Ladenschlusses um 20 Uhr ist zu begrüßen. Zugleich wird aber die Zahl der nächtlichen Verkaufsöffnungen von 20 bis 24 Uhr massiv erhöht: von derzeit einer auf bis zu zwölf Nachtöffnungen pro Jahr, davon acht pro Kommune und zusätzlich vier pro Geschäft. Die bisher notwendigen rechtlichen Einschränkungen und Bedingungen (Anlassveranstaltung) für Shoppingnächte entfallen.
Arbeitsministerin Ulrike Scharf betont immer wieder öffentlich, das Ladenschlussgesetz sei ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Allerdings verschlechtert sich der Arbeitnehmerschutz durch die vielfältigen Deregulierungsmaßnahmen des vorliegenden Entwurfes erheblich:
Bis zu zwölf Shoppingnächte stellen für die mehrheitlich weiblichen Beschäftigten, die Beruf und Familie aufgrund der häufigen Abend- und Samstagsarbeit ohnehin oft schwer vereinbaren, eine erhebliche Zusatzbelastung dar. Nachtverkauf bis 24 Uhr bedeutet für sie, dass sie aufgrund von Abschlussarbeiten erst nach Mitternacht das Geschäft verlassen und dann oft noch einen langen, nachts auch unsicheren Heimweg haben. Im Fall von Shoppingnächten an Samstagen ist damit auch ihr „freier“ Sonntag beeinträchtigt.
Die vier individuellen verkaufsoffenen Nächte sind dabei nicht weniger gravierend und gesundheitsgefährdend als die kommunalen. Der lokale Handel kann sie wie ein Flickenteppich oder auch koordiniert nutzen, in jedem Fall aber frei von zeitlichen und räumlichen Auflagen durch die Gemeinde. Eine einfache, kurzfristige Anzeigepflicht soll
gewährleisten, dass die Kommune noch einen Überblick darüber behält. Eine wirkliche Kontrolle aber, ob Geschäfte in der Praxis nicht doch öfter als viermal nachts öffnen, wird schwer umsetzbar sein und bedeutet einen erheblichen bürokratischen Aufwand.
Die familienfeindliche Ausweitung des Nachtshoppings und die damit verbundene Gefahrenausweitung sowie der Abbau des Gesundheitsschutzes für die Beschäftigten sind aus Sicht des kda Bayern abzulehnen.


Der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern ist Teil der bayerischen Allianz für den freien Sonntag. 

https://kda-bayern.de/wp-content/uploads/2025/01/2025_01_21_Bewertung_Ladenschlussgesetzentwurf_kda_Bayern.pdf